§. 56. Der jugurthinische und cimbrische Krieg. 147
hoben sich am Ende -über alles Recht hinweg. Davon gab
besonders
112—106 der jugurthinische Krieg den klarsten Beweis.
In Numidien hatte Masinissa's Enkel, Jugurtha, seine
Miterben, die Söhne seines Oheim's, um allein regieren zu
können, ermordet, und den römischen Senat, der den Er-
mordeten ihr Recht gewährleistet hatte, durch Geld be-
schwichtigt.
Da jedoch ein Volkstribun diese Bestechlichkeit rügte,
und man nun gegen den Jugurtha eiuschreiten mußte, so
wußte dieser durch neue Bestechungen den Heöreszug gegen
ihn zu vereiteln und nachher auch die persönliche Strafe,
die ihm drohte, von sich abzuwenden, bis er es so weit
trieb, daß der Krieg gegen ihn wieder ausgenommen und
einem unbestechlichen Manne aus der Adelsklafse, dem Casus
Metellus, übertragen wurde.
Unter diesem stand als Unterfeldherr Znnrius, ein
Mann aus niederem Stande, von ausgezeichneter Kraft und
Feldherrngeschicklichkeit, dabei aber rohem Wesen. Dieser
Mann brachte es während jenes Krieges dahin, daß er,
durch die große Gunst, in der er wegen seines Eifers ge-
gen die Vornehmen bei dem Volke stand, zum Cónsul
gewählt und ihm an des Metellus Statt die Fortsetzung
des Krieges übertragen wurde. Nachdem er den Jugurtha
geschlagen hatte, beendigte sein Unterfeldherr Sulla, ein
Mann von vornehmer Herkunft, den Krieg dadurch, daß
er die Auslieferung des Jugurtha erwirkte, den
man nachher im Gefängnisse den Hungertod sterben ließ.
Unterdessen war der römische Staat an seiner Nord-
gränze von einem Feinde, der alle früheren an Furcht-
barkeit übertraf, in die äußerste Gefahr versetzt worden. Von
ihrer Heimath an der Ostsee ausgewandert, hatten nämlich
113 die Cimbern und Teutonen, germanische Völ-
kerstämme, ein römisches Heer in den steyrischen Alpen,
und nachher auf ihren Zügen durch Helvetien und Gallien
noch vier römische Heere geschlagen, so daß die Römer sich
10*
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179
z. 66. Die Deutschen und die Völkerwanderung.
allemannisch e, fränkische, sächsische und gothische
Bund zu nennen sind) zusammentraten, konnten sich die
römischen Imperatoren der furchtbaren Anfälle der Deut-
schen nur mit Mühe und Noch erwehren, und mußten
froh sepn, wenn sie da oder dort ein deutsches Volk durch
Geschenke oder Heerdienstverträge auf eine Zeit lang unschäd-
lich machten. Bald aber kam ein Ereigniß, welches das morsch-
gewordene Gebäude des römischen Staates seinem Einsturze
näher bringen sollte.
Es brachen nämlich die Hunnen aus Mittelasien in
den Osten von Europa ein und führten
37$ die Völkerwanderung herbei, welche die bisherige
Gestalt der alten Welt gänzlich umwandeln sollte.
Nachdem die Hunnen die Alanen am Don überwältigt
hatten, überfielen sie mit ihnen die benachbarten Ostgothen,
wälzten sich mit diesen auf die Westgothen, die sodann
über die Donau in's thrazische Gebiet wichen, das ihnen
Kaiser Valens einräumte. Weil sie aber von den Römern
treulos behandelt wurden, rächten sie sich durch einen Aufstand
und besiegten die Römer in der großen Schlacht bei
Adrianopel (378), die dem Kaiser Valens das Leben kostete;
worauf sein Nachfolger, Theodosius der Große, die
Westgothen durch neue Verträge beruhigte.
Bei seinem Tode verordnete Theodosius
393 die Theilung des römischen Reichs unter seine beiden
noch jungen und schwachen Söhne, von denen Arcadius
das oströmische (morgenländische, griechische) Reich von
Constantinopel aus, Honorius das weströmische (abend-
ländische) Reich von Rom oder Ravenna aus beherrschte.
In das weströmische Reich fiel bald ein ungeheuerer
Schwarm deutscher Völker von den Alpen her ein, wurde
aber durch des Kaisers Vormund und Rathgeber, den klugen
und tapfern Vandalen Stllicho, noch glücklich zurückge-
wiesen, und die Reste desselben setzten sich in Gallien und
Spanien fest. Kurze Zeit darauf, nach Stilicho's Sturze,
fielen die Westgothen in Italien ein, und eroberten
12«
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Extrahierte Personennamen: Valens Theodosius_der_Große Theodosius Honorius Honorius
Extrahierte Ortsnamen: Deut- Mittelasien Europa Donau Constantinopel Rom Ravenna Gallien Spanien Italien
181
und germanische Reiche und Einrichtungen.
486 das fränkische Reich, das er alsdann im Kampfe mit
den Allemannen (durch die Schlacht bei Zülpich, 496),
so wie in den darauffolgenden Kriegen mit den Burgun-
dern und mit den Westgothen erweiterte. — Daß beson-
ders Gallien eine so leichte Beute der germanischen Völker
werden konnte, kam daher, daß das durch die Laster des römi-
schen Despotismus vergiftete, ohnedieß so leichtfertige gallische
Volk bis zu den tiefsten Graden der Verworfenheit, besonders
in den Städten, herabgesunken war..
Ohngefähr um dieselbe Zeit drangen die Ostgothen
unter ihrem großen Könige Theodorich in Italien ein,
nahmen dem Odoaker die Herrschaft und gründeten
463 das ostgothifche Reich, das unter Theodorich's weiser
und kräftiger Regierung 33 Jahre lang in blühendem Zu-
stande war, unter seinen Nachfolgern aber den Angriffen der
vom oströmischen Kaiser Justinian abgeschickten Feldherren,
zuerst des Belisar (der 534 auch dem vandalischen Reiche
in Afrika ein Ende gemacht hatte), und dann des Narses,
gänzlich unterlag (555).
Nachdem Narses Italien als Provinz des oströmischen
Reiches 15 Jahre lang verwaltet hatte, brachen nach seiner
Abberufung die Longobarden unter ihrem Könige Alboin
ein und stifteten
368 das longobardifche Reich, welches Ober- und Unter-
italien umfaßte, ohne daß es den Lombarden je gelang, sich
Mittelitaliens völlig zu bemächtigen, wo in Ravenna ein
griechischer Statthalter (Erarch), in Rom der Papst seinen
Sitz hatte.
So hatten denn deutsche Völker fast das ganze west-
römische Reich (in Italien, Spanien, Gallien und Britannien)
eingenommen, indeß der verlassene Osten Deutschlands von
slavischen Völkern besetzt wurde, die übrigen Theile Deutsch-
lands aber noch immer von ihren alten Besitzern, den
Sachsen, Friesen, Thüringern, Alle mannen und
Ost franken, bewohnt waren. Während diese ihre alte,
germanische Gauverfassung beibehielteu, bildete sich in den
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Extrahierte Personennamen: Narses_Italien
Extrahierte Ortsnamen: Burgun- Gallien Italien Afrika Ravenna Rom Italien Spanien Gallien Britannien Deutschlands Sachsen
182 §. 67. Untergang des weströmischen Kaiserreichs re.
neugegründeten Reichen der Franken, Ostgothen und
Longobarden die Lehensverfaffrrng oder das F eu -
wesen aus.
Von dem eroberten Lande nämlich behielt der König einen
Theil als Privateigenthum, einen Theil ließ er den besiegten
Einwohnern gegen Zins, einen Theil vertheilte er unter sein
Gefolge, und was jeder Einzelne aus dem Gefolge bekam,
gehörte ihm als freies Eigenthum (Allod), für welches er
auch fernerhin die allgemeine Heeresfolge leisten (tn dem
Heerbann mit.ziehen) mußte. Wen aber der König noch
außerdem zu seinen befondern Diensten verpflichten wollte,
dem gab er vom königlichen Privateigenthum einen Theil zu
lebenslänglichem Genüsse, der Lehnsgut hieß, und wofür
der Lehnsmann (Vasall) dem Lehnsherrn stets zu Dienst
treu-gewärtig seyn mußte: versäumte er feine Pflicht, so
konnte der Lehnsherr das Gut wieder einziehen.
Ein ganz gleiches Verhältniß hatte Statt, wenn sonst ein
reicher Allodbesitzer Theile seines freien Gutes an Leute seines
Gefolges lehensweife vergab. Auf diesem Lehensverbande be-
ruhte im Mittelalter der Bestand der monarchischen Verfas-
sung und der ganzen bürgerlichen Ordnung. Durch die Franken
kam das Lehenswefen auch in Deutschland auf.
Von den germanischeü Völkern wendeten sich am frühesten
die Gothen (durch Ulphilaö 359), sodann die Vandalen,
Sueven, Burgunder und Langobarden zum Christenthum,
wiewohl nach der arianischen Lehre. Als aber die Franken
durch Chlodwig das Christenthum nach dem katholischen
oder allgemeinen Bekenntnisse annahmen, so erhielt letz-
teres allmählig die Herrschaft im Abendlande.
Dies war wichtig, weil die altrömische Kirche nicht nur
die christlichen Grundlehren am treuesten bewahrt hatte, son-
dern auch fester geordnet war: denn es ist begreiflich, daß die
im beständigen Kriegsleben verwilderten Völker durch das
bloß äußerliche massenweise Taufen noch nicht zu wahren
Christen umgewandelt wurden; daher schon viel gewonnen
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174 §. 65. Der Sieg des Christenthums über das Heidenthum.
gehört) durch Gewaltthätigkeit, Grausamkeit und Sittenlosig-
keit den Verfall des Reiches beförderten.
Die Schwäche dieses Reiches, in welchem sich oft meh-
rere Gegenkaiser bekämpften, benützten daher vorzüglich die
Deutschen, die zwischen den Jahren
200—300, in verschiedene Völkerbündnisse vereinigt, von
allen Seiten in das römische Reich einsielen, und nur von
kräftigen Kaisern mit äußerster Anstrengung am Rhein und
an der Donau im Zaume gehalten werden konnten.
Unter mehreren dieser Kaiser brachen neue Christen-
verfolgungcn aus, wovon die heftigsten von dem Kai-
ser Decius, 249—251 (der sich alle Mühe gab, das Hei-
denthum durch äußern Glanz wieder herzustellen), und von
dem Kaiser Diokletian, 284—305 (der auf Antrieb sei-
nes Mitregenten Galerius die Christen sammt ihren hei-
ligen Schriften gänzlich vertilgen wollte) verhängt wurden.
Die letztgenannte Verfolgung war die schwerste und längste,
und hörte im Morgenlande mit geringer Unterbrechung erst
mit dem Tode des Kaisers Mari minus auf.
3. Der Sieg des Christenthums über das
Heidenthum.
§. 65. Alle diese Verfolgungen, deren man zehn zählt, hatten
der gedrückten Christenheit namenloses Leiden und Ströme
von Blut gekostet. Aber „das Blut der Märtyrer
war der Samen der Kirche", die unter allen Verfol-
gungen und Bedrängnissen nur immer fester wurzelte, schneller
sich verbreitete, vom eingedrungenen Verderben sich läuterte
und im scheinbaren Unterliegen allmählig den Sieg über das
Heidenthum feierte.
Eben drohte auch im Abendlande den Christen, welche dort
eine Zeit lang Ruhe gehabt hatten, durch Kaiser Maren-
tius neuer Sturm, als
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180 §. 67. Untergang des weströmischen Reichs
#10 unter Alarich Rom, zogen dann nach Unteritalien, kehrten
aber, als Alarich starb, wieder um und wendeten sich nach
Gallien und Spanien, wo sie von der Loire bis Lusitanien
das weftgothische Reich (414) stifteten.
Einige Zeit nachher zogen die Vandalen aus Spanien
nach Afrika und stifteten dort (429) das vandalische
Reich, sowie auch wenige Jahre darauf
##9 Angeln und Sachsen nachbritannien hinüberzogen und
dort die sieben angelsächsischen Königreiche gründeten.
Unterdessen hatte der Hunnenkönig Attila sich alle
Hunnenstämme und mehrere deutsche Völker unterworfen, und
faßte nun den Entschluß, auch den Westen von Europa zu
unterjochen. Schon war er auf seinem Verheerungszuge in
Gallien eingedrungen, als sich ihm dort die Römer und West-
gothen entgegenstellten und ihm
#51 in der Hunnenschlacht auf den catalaunischen Fel-
dern (bei dem heutigen Chalons an der Marne) eine so
völlige Niederlage beibrachten, daß er über den Rhein zurück-
wich. Nach einem verheerenden Einfalle in Italien und noch
einem vergeblichen Versuche, in Gallien einzudringen, starb
Attila plötzlich, und die hunnische Macht löste sich auf.
5. Untergang des weströmischen Reichs und ger-
manische Reiche und Einrichtungen.
§. 67. Aas weströmische Reich fiel zuletzt in solche Schwäche, daß
#76 Odostker, ein Anführer der im römischen Heerdienste stehen-
den Deutschen, den jungen Imperator Romulus Mo mpllus
vom Throne stieß und nach dem Tode des andern Imperators
Julius Nepos sich zum Herrn von Italien machte.
Zehn Jahre darauf gieng auch die letzte Besitzung des west-
lichen Römerreichs verloren: denn von Belgien her eindvin-
gend besiegte Chlodwig, König der Franken, den letzten
römischen Statthalter in Gallien bei Soissonö und gründete
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Extrahierte Personennamen: Attila Attila Romulus_Mo Julius_Nepos Chlodwig
Extrahierte Ortsnamen: Rom Unteritalien Gallien Spanien Spanien Afrika Sachsen Europa Gallien Rhein Italien Gallien Italien Belgien Gallien
§. 68. Das oströinlsche Reich.
183
war, wenn sie in eine Kirche traten, die durch ihre ganze
Verfassung diese rohen Völker zuerst an Gehorsam gegen die
Kirchengebote, und dadurch allmählig an sittliche und bürger-
liche Ordnung zu gewöhnen im Stande war. Der Arianis-
mus dagegen fand mit allen den Völkern, die ihn bekannten,
seinen Untergang.
2. Das Morgenland unter dem Ein-
flüsse des Islam.
1. Das oströmische Reich.
68. Unterdessen hatte das oströmische Reich oder das
griechische Kaiserthum meist unter schwachen Kaisern große
Mühe und Roth, sich nach Außen gegen feindlich andringende
Völker —, nach Innen unter den heftigen Kämpfen sich an-
feindender Parteien der Rennbahn (der sog. Blauen und
Grünen) zu erhalten. So war Kaiser Justinian (527
bis 565), obwohl er jene innern Parteiungen mit Gewalt
unterdrückte, um die Mitte des 6. Jahrhunderts besonders
von den Persern (deren mächtiger Regent Nuschirvan
damals das neupersische Reich auf den Gipfel seines höchsten
Glanzes erhob) in einem 22jährigen Kriege hart bedrängt,
und mußte ihnen, so wie den Avaren, die von Nordost her
sein Reich bedrohten, Tribut geben. Auch seinen Nachfolgern
waren sowohl die Perser, als auch die Avaren die lästigsten
Feinde.
Am meisten Unordnung und Zerrüttung irn oströmischen
Reiche brachten die beständigen theologischen Streitig-
keiten hervor, welche meist zugleich politische Natur
annahmen. Der geistliche Stand war nämlich dort der mäch-
tigste, undsselbst die Kaiser konnten sich nur dadurch erhalten,
daß sie selbst in der Theologie Partei nahmen. Waren es
schwache Kaiser, so wurden sie von der vorherrschenden theo-
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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